
Schleifereien böhmischer Granatsteine – II.
Die Zunft der Steinschneider und –bohrer der königlichen Stadt Nový Kolín, manchmal auch nur als Granatzunft bezeichnet, entstand am 11. März 1774. Im Jahre 1786 arbeiteten darin 15 christliche Schleifermeister mit sieben Gesellen und drei Lehrlingen, außerdem vier jüdische Steinschleifer, 4 christliche Steinbohrermeister mit einem Lehrling sowie sechs jüdische Steinbohrer. Registriert waren auch neun jüdische Granathändler. Diese fanden ihren Absatz jedoch hauptsächlich in Prag. Später ging die Anzahl jüdischer Granatbearbeiter außerhalb der Zunft zurück, die Anzahl der christlichen Schleifer blieb jedoch im Prinzip bis zum Jahre 1812 unverändert, als nur noch eingeführte Rohstoffe in Kolín verarbeitet wurden. Den Stadtchroniken von Kolín kann man entnehmen, dass die Stadt zwischen Dezember 1831 und Mai 1832 von einer Choleraepidemie heimgesucht wurde, bei der etwa 300 Bürger, hiervon fünf Meister der Granatzunft, starben. Die Erwähnungen der Granatzunft erlöschen jedoch von da an allmählich. Der Rückgang wird durch die traurige Aussage beurkundet, dass der letzte Angehörige der Zunft und des altertümlichen Granatgeschlechts, Josef Čuřík, im Jahre 1858 im Alter von 43 Jahren im Gefängnis starb.
Wahrscheinlich einer der ältesten bis heute erhaltenen Gegenstände, die mit dem Granat von Kolin verziert sind, ist ein ovales Medaillon (K 204), das in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hergestellt wurde und heutzutage zum Prager Domschatz gehört. Dieses Medaillon ist in der Prager Burg ausgestellt.
Aus den Granatsteinen von Kolín wurden zweifelsohne auch andere, bisher unerforschte Gegenstände und Schmuck gefertigt, vielleicht sogar auch sehr alten, vorromanischen Ursprungs, denn die Umgebung der Stadt Kolín war bereits viel früher als die anderen Fundstätten des böhmischen Granats reichlich besiedelt.
Das Riesengebirgsvorland besteht aus einigen getrennten Fundstätten mit größerer oder kleinerer Anzahl von Granaten. Auch an diesen Orten wurden böhmische Granate abgebaut, deren Gewinnung je nach Fundort unterschiedlich anspruchsvoll war. In zahlreichen Gebieten im ganzen Riesengebirgsvorland und hauptsächlich im Český ráj (Böhmisches Paradies) wurden Granate bereits in der Vergangenheit geschliffen. Zu den bedeutendsten Orten gehören vor allem Rovensko pod Troskami, Turnov (Turnau), Jičín (Jitschin) und viele weitere Städte und Dörfer. Eine der ältesten schriftlichen Überlieferungen des Schleifens böhmischer Granate ist die Angabe in den Stadtbüchern von Rovensko pod Troskami aus dem Jahre 1599, die einen gewissen Tadeáš Mendik erwähnt, der Granate zum Polieren und Schleifen nach Nürnberg brachte. Im gleichen Jahr brachte er auch einen Tisch mit einer waagerechten Schleifscheibe mit, zu dieser Zeit eine Neuigkeit für die gesamte Region. Diese Schleiftechnologie blieb in Böhmen bis heute erhalten. Tadeáš Mendik sammelte Granatsteine angeblich im Bach Jordán, der bis heute Veselka genannt wird.
Das letzte Abbaugebiet im Riesengebirgsvorland war Vestřev. Granatsteine wurden dort im Zeitraum von 1995 bis 2009 gefördert. In dieser Fundstätte treten außer sehr hochwertigen böhmischen Granatsteinen sehr selten auch blaue Saphire, orangenfarbige Zirkone, farblose Topase, Gold und sogar auch Platine auf.
Ovales Medaillon aus dem 18. Jahrhundert, verziert mit böhmischen Granatsteinen aus Kolín, heutzutage Bestandteil des Prager Domschatzes. Johann Wolfgang von Goethe, ein Freund der Baronin Ulrike von Levetzow, ist der vermeintliche Schenker des Schmuckstücks mit den größten böhmischen Granatsteinen.
Die Baronin Theodore Ulrike Sophie von Levetzow, Eigentümerin des Schmuckstücks mit den größten böhmischen Granatsteinen.
Schmuckstücke der Baronin von Levetzow. Der Set enthält die größten böhmischen Granatsteine im Schmuck.