Schleifereien böhmischer Granatsteine I.

Anfang des 17. Jahrhunderts wurden rohe böhmische Granatsteine in den Prager Markt geliefert und in Prag anschließend geschliffen und gebohrt. Die Schleiferei wurde auch als Kaisermühle bezeichnet und entstand auf Veranlassung des Kaisers Rudolfs II. in Prag Bubentsch am Ende des Königlichen Wildparks (Stromovka). Dort arbeiteten drei Generationen der italienischen Misseronis. Neben dem Schleifen böhmischer Granatsteine wurden dort insbesondere aus Bergkristall,  Rauchquarz, Achat, Jaspis u. dergl. geschnittene Gefäße gefertigt. Schleifereien entstanden auch in der Prager Neustadt. Den ersten Schleifern wurde im Jahre 1598 das kaiserliche Privilegium verliehen, böhmische Granatsteine ins Ausland zu exportieren (hiervon ausgenommen waren große Stücke).

 

Zur gleichen Zeit wurde auch die Schleiferei in Brandýs (Brandeis an der Elbe) gegründet. Während der Regierungszeit Rudolfs II. kommt eine weitere Welle Prospektoren nach Böhmen, die zum großen Teil aus Venedig stammen und sich in Mašov bei Turnov niederlassen. In Böhmen, wahrscheinlich in Turnov, wurden nur große Granatsteine geschliffen. Erst die Kaiserin Maria Theresia brachte das ausschließliche Recht auf Schleifen und Bohren der böhmischen Granate restlos nach Böhmen zurück. Dieses Recht erlangte der oberste Burggraf in Böhmen, Filip Graf Kolowrat Krakowsky. Ende des 18. Jahrhunderts wurden Granatsteine auch in der Herrschaft des Grafen Lobkowitz in Jistebnice bei Tábor und beim Grafen Hatzfeld in Podsedice im Böhmischen Mittelgebirge (gegründet im Jahre 1770) geschliffen. Die Schleiferei in Podsedice ging später an den Grafen Schönborn über und war bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein in Betrieb.

 

Im Mittelgebirge (in Podsedice, Třebívlice und wahrscheinlich auch anderswo) arbeiteten weiter alleinstehende Schleifer. Vom Mittelgebirge wurde das Schleifen der böhmischen Granatsteine zurück nach Turnov befördert, wo wahrscheinlich bereits seit dem 17. Jahrhundert geschliffen wurde und das Schleifen dort im Unterschied zu anderen Zentren bis heute erhalten blieb. Mitte des 19. Jahrhunderts waren aus heutiger Zeit betrachtet beachtenswerte 2.000 Schleifer in Turnov beschäftigt. Etwa zur gleichen Zeit, als die Schleiferei in Podsedice gegründet wurde, entstanden auch Schleifereien in der Lobkowitzer Herrschaft in Obřice und Netluky und in Vlastislav und in Bilína. Das enorme Interesse am Ausbildungsfach machte am 03. September 1883 die Gründung der Fachschule für die Bearbeitung von Edelsteinen (der späteren Staatlichen Fachschule für Schmuckherstellung in Turnov, heute Kunstgewerbemittelschule) erforderlich, wobei der Unterricht dort am 8. November 1884 aufgenommen wurde.

 

Im Jahre 1752 wurde mit dem Schleifen von Granatsteinen auch in der neu erworbenen Herrschaft des Grafen Kolowrat in Světlá nad Sázavou (Swietla ob der Sasau) begonnen. Der Graf lud die besten deutschen Schleifermeister dorthin ein. Im Jahre 1809 werden in Světlá bereits 25 Werkstätten erfasst, in denen Granatsteine geschliffen wurden und die 88 Arbeiter mit einer jährlichen Produktion von 98 000 geschliffenen Steinen beschäftigten. Bereits im Jahre 1841 arbeiteten dort zehn alleinstehende Granatschleifer und 43 Arbeiter in sieben Granatschleifereien. Es ist wahrscheinlich, dass einige der Schleifer sich auf das Schleifen von Diamanten spezialisierten. Ihre Anzahl ist jedoch leider unbekannt.

 

In Kolín (Kolin) und Umgebung wurde während eines relativ kurzen Zeitraums der Edelstein Pyrop abgebaut, der seinerzeit als „der Granat von Kolin“ berühmt wurde. Wegen einiger weniger Fundstätten entstand sogar eine Handwerkszunft in Kolín. Während die Tätigkeit dieser Zunft anhand erhaltener Archivquellen einschließlich ihres Siegelstempels gebührend belegt ist, wurden schriftliche Dokumente über die Gewinnung von Granatsteinen bisher nicht entdeckt.

 

Bohuslav Balbín (1679), ein bekannter jesuitischer Schriftsteller und Geschichtsschreiber, hält fest: „Als ich eines Tages in der Herrschaft der Barone Krafft in Ratboř eine Meile von Kutná Hora (Kuttenberg) entfernt einen Haufen Steine auf irgendeiner Wiese gründlich besichtigte, trennte ich ganz einfach an hundert Granatsteine, zwar nur in Pfeffergröße, dafür jedoch trefflich, ab.“

 

Granatschleifer waren wahrscheinlich seit 1768 in Kolín tätig. Die Granatverarbeitung und der Handel damit lagen wohl zuerst in den Händen der Juden von Kolín, allmählich wurde jedoch das Schleifen und Bohren der Granate bei erfahrenen Meistern in Auftrag gegeben. Diese kamen beispielsweise aus Rovensko (Rowenz) (wie ein gewisser Jan Kramář) und ließen sich anfangs in den Vorstädten von Kolín nieder. Im Jahre 1773 beantragten sie beim Magistrat ihre Eingliederung zu den Gilden der Töpfer und Fischer, und im nächsten Jahr ersuchten sie bereits um Zulassung einer eigenständigen Zunft.

 

Familie eines Edelsteinschleifers – heutzutage in der Nationalgalerie in Prag im Schwarzenberger Palais ausgestellt.

 

Granatschleifer, Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

Granatschleifer, Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

Das Original des Siegelstempels der Zunft der Steinschneider und –bohrer der königlichen Stadt Kolín – sog. Granatschleiferzunft oder nur Granatschleifer (1827).

 

Bürgerin mit Schmuckstücken mit böhmischen Granatsteinen, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts.

 

Bürgerliches Schmuckstück mit böhmischen Granatsteinen mit Rautenschliff, gesetzt in einfachem Metall, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.